Großbritannien 1986 (When the Wind Blows)
Regie: Jimmy T. Murakami
Das Rentnerehepaar Hilda und Jim Bloggs lebt abgeschieden in der Nähe von London in einem kleinen Häuschen. Es geht ihnen gut und sie sind zufrieden mit dem Leben, haben sie doch schon so einiges erlebt und überstanden, wie z.B. den 2. Weltkrieg. Leider können die beiden den Lebensabend gerade nicht genießen, denn die weltpolitische Lage ist besorgniserregend, ein neuer Krieg steht unmittelbar bevor. Während sich Hilda keine großen Sorgen macht, trifft ihr Mann Vorkehrungen. Jim bereitet sich auf einen atomaren Angriff vor, indem er strikt den Anweisungen aus diversen Merkblättern folgt und deshalb z.B. die Fensterscheiben weiß streicht, Vorräte anlegt und einen Unterschlupf aus Türen baut. Seiner Frau passt diese Unordnung im Haus gar nicht, doch die Vorsichtsmaßnahmen waren richtig: Nach einer Radiowarnmeldung kommt es 3 Minuten später zum Atombombenangriff. Die Landschaft wird zerstört und auch das Haus der Bloggs wird stark beschädigt, doch die beiden haben überlebt. Sie machen sich gegenseitig Hoffnung, dass die Sache nicht so schlimm ist, bald Hilfe kommt und der Alltag wieder einkehren wird. Doch die Tage vergehen, das Trinkwasser geht zur Neige und den beiden alten Leuten geht es immer schlechter...
Der Film ist in Deutschland "ab 6" freigegeben. Da fragt man sich wirklich, nach welchen Maßstäben die FSK denn Filme bewertet. Anscheinend nach dem Motto "Wenn keine Gewalt explizit dargestellt wird ist der Film doch toll für kleine Kinder!" “Wenn der Wind weht” ist ein Zeichentrickfilm, aber ohne Zweifel ein Zeichentrickfilm für Erwachsene. Kindern wäre die erste Hälfte zu langweilig, in der praktisch nichts passiert, wenn Jim Bloggs sich auf den 3. Weltkrieg vorbereitet, während seine Frau sich weiter um den Haushalt kümmert. Aber gerade dieser Teil des Films ist hervorragend umgesetzt und spiegelt die Ohnmacht, die Hilflosigkeit der “normalen” Bevölkerung zur damaligen Zeit in den 80ern wieder: Was soll man tun, wenn eine Atombombe fällt? “Das wird sowieso nicht passieren”, “Die Regierung hat alles im Griff”. Oder soll man doch Angst haben? Genau dieser Zwiespalt wird durch das schrullige Rentnerehepaar gut dargestellt: Der eine bereitet sich gewissenhaft vor und macht (vermeintlich) alles richtig, der andere ist überhaupt nicht an der aktuellen Lage interessiert und verkennt die Gefahr. Dieser Gegensatz führt zu einigen Szenen bei denen man “schmunzeln” muss (lustig ist der Film aber zu keiner Zeit) und man schließt die beiden alten Leute in sein Herz. Umso brutaler ist dann der Cut nach dem Abwurf der Atombombe. Der Zuschauer muss mit ansehen, wie das Ehepaar verzweifelt versucht, die “Situation” zu meistern - und dann letztendlich scheitert. Und genau damit wird die Botschaft des Filmes “Ein Atomkrieg ist nicht zu gewinnen” hervorragend transportiert. Man kann jetzt streiten, ob dafür ein Zeichentrickfilm mit einem definitiv besonderen, eigenenwilligen Stil genau das richtige ist, zumal auch noch “Realfilmszenen” reingemischt wurden. “Zeichentrick” liegt aber bei einer Comicvorlage (Raymond Briggs: “Strahlende Zeiten”) natürlich nahe - und es schadet auch der Geschichte keineswegs - eher im Gegenteil.
“Wenn der Wind weht” ist ein eindringlicher Film der einen nicht kalt lassen kann. Nichts für Kinder, aber für Jugendliche und Erwachsene. Auch in der heutigen Zeit wäre das für mich ein Pflichtfilm (in höheren Klassen) in der Schule. Einer der wenigen Filme, die Zeitgeschichte bzw. ein “Was-wäre-wenn-Szenario” im “Unterhaltungsformat” und nicht als staubtrockene Dokumentation beeindruckend näherbringen können!
Zum Schluß noch ein Wort zum Soundtrack bzw. zum Titelsong “When the Wind Blows” , gesungen von David Bowie: Richtig gut und absolut zum Film passend.